Ein Besuch im Kunstarchiv Beeskow

 

Beeskow ist immer eine Reise wert – zumal in dieser Jahreszeit, da im Oder-Spreeland die Wiesen blühen, die klaren Bäche und Seen sich im Sonnenlicht spiegeln und Störche fleißig nach Futter für ihre Jungen suchen.

Naturpark-Dahme-Heideseen

 

Veränderungen im strukturellen Bereich des Kunstarchivs

Es deuten sich aber auch Veränderungen im Kunstarchiv des märkischen Städtchens an, die man nicht übersehen kann. Deshalb begab sich ein Teil des Vorstandes unseres Vereins Ende April 2018 auf die Reise.

Wir hatten im August des vergangenen Jahres mitgeteilt, dass im strukturellen Bereich des Kunstarchivs Umgestaltungen bevorstehen. Zudem hat das Kunstarchiv mit Florentine Nadolni seit Anfang 2017 eine neue Leiterin. Wir wollten Frau Nadolni kennen lernen und sie uns. Uns verbindet das gemeinsame Interesse nach einer sicheren und produktiven Zukunft des Kunstarchivs Beeskow. Dieses gemeinsame Interesse wurde durch das Gespräch bejaht und untermauert. Als Mittdreißigerin hat Frau Nadolni zum Kunstarchiv, im Gegensatz zu uns, eine eher museale Beziehung. Während wir uns allzu deutlich an die Debatten und Kunstausstellungen in der DDR erinnern, sah sie die Artefakte zuerst im Depot. Ihr ist das Schicksal der Dinge, in diesem Falle der Bilder, Grafiken und Plastiken nicht egal, sie brennt und will so viele Schaufenster wie möglich, wie sie sagt, für die Kunst schaffen. Ihr ist Biesdorf recht, aber eine „exhibition in New York“ nicht illusionär. In dieser Dimension denkt die Leiterin. Sie ist meinungsstark und machte auf uns einen souveränen Eindruck. Als Berlinerin ist sie an ihren Arbeitsort gezogen, was ihr Engagement noch glaubhafter macht.

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Frau Nadolni (Mitte) im Kreise des Vorstandes

 

Es deutet sich nun an, dass die Länder Berlin und Mecklenburg-Vorpommern aus dem seit 2001 existierenden Verwaltungsabkommen zum Kunstarchiv aussteigen wollen. Um die Folgen auszuloten, hat das Kunstarchiv eine Konzeption erarbeitet, die in diesen Tagen beraten wird. An diesem Prozess ist der renommierte Kulturmanager Dr. Thomas Köstlin beteiligt. Der Anteil der Kunstwerke aus Mecklenburg-Vorpommern ist überschaubar. Berlins Beitrag ist erheblich höher, die Brandenburg gehörenden Artefakte bilden die Mehrheit. Brandenburg bekennt sich mit seinem Landkreis Oder-Spree zum Beeskower Archiv. Offen ist die Frage, wie Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ihre Kunstwerke dem Kunstarchiv überlassen können.

 

Pragmatische Lösungen

Eine Lösung für die Aufbewahrung aller Artefakte wurde unterdessen gefunden. Anstelle des überstauten alten Gebäudes wird das ehemalige Kreisarchiv ganz nahe der Burg die Kunstwerke aufnehmen. Das Gebäude ist erheblich geräumiger, wesentlich jünger und verfügt über eine ausreichende Klimatik.

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Das Archiv soll bis Ende des Jahres 2018 neu eingerichtet und bezogen werden.

 

Um die 23.000 Exponate zeitgemäß lagern zu können werden Ziehgitteranlagen angeschafft. Die Mittel dazu kommen vom Bund und werden vom Land Brandenburg und dem Kreis kofinanziert. Bis 2019 wird der Beeskower Bestand einer abschließenden Generalinventur durch Dr. Angelika Weißbach unterzogen. In die bisherigen Inventuren, so hatte Frau Nadolni informiert, hätten sich immer wieder Ungenauigkeiten eingeschlichen.

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Ziehgitteranlagen – hier in der Berlinischen Galerie

 

Die List der Vernunft?

So werden die materiellen Lebensbedingungen für die Auftragskunst aus der DDR auf der Kreisebene geregelt. Im Jahre 2008 hatten der Landkreis Oder-Spree und die Stadt Beeskow noch von einem imposanten Neubau geträumt. Den ersten Platz beim Architektenwettbewerb hatte Max Dudler mit diesem Entwurf gewonnen.

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(Foto: Dudler)

Der Neubau hätte um die 10 Millionen Euro gekostet. Das Land Brandenburg war sich mit dieser Investition allerdings nicht sicher und gab ein Gutachten in Auftrag. Im Ergebnis stellte das Gutachten fest: „Unter künstlerischen Gesichtspunkten betrachtet beinhaltet der Beeskower Bestand mit sehr wenigen Ausnahmen aus heutiger Sicht keine für die Kunstgeschichte Deutschlands relevanten Werke… Es ist jedoch vollkommen kontraproduktiv, Teile dieses Bestandes gleichsam pars pro toto als die Kunst aus der DDR zu präsentieren… Die Bedeutung des Bestandes erklärt sich einzig aus seiner Bindung an die politische und gesellschaftliche Praxis der DDR, nicht aus einer irgendwie gearteten Repräsentativität für die Kunst des einstigen Landes.“ (S. 60) So war das Bemühen um einen Neubau seitens des Kreises für das Kunstarchiv durch die Landesregierung abrupt beendet worden. Natürlich gibt es andere wissenschaftlich fundierte Meinungen, die dieser Gutachterauffassung konträr entgegenstehen. So schreibt die Kulturwissenschaftlerin Dr. Marlene Heidel in ihrem Buch „Bilder außer Plan“, eine Monografie über das Kunstarchiv Beeskow: „Auch am Ende dieser Arbeit sei nochmals darauf hingewiesen, dass hier keinesfalls dem gesamten Bestand des Kunstarchivs Beeskow eine ästhetische Qualität bescheinigt werden soll. Stattdessen geht es um Begegnungen mit den einzelnen Werken und die Erweiterung des Zugangs um die Perspektive der ästhetischen Funktion.“ (S. 240)

Dieser Streit wird nicht heute oder morgen entschieden – ihn entscheidet die Geschichte. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die List der Vernunft, wie Hegel sie gedeutet hatte,  sich auch des Landkreises Oder-Spree bedient, um das kollektive Gedächtnis der bildenden Kunst aus der DDR zu erhalten und in die Welt zu tragen. „Hic Rhodus, hic salta! Hier ist die Rose, hier tanze!“

 

Am 10. Mai um 15.30 Uhr eröffnet Frau Nadolni im Schloss Biesdorf die Ausstellung „Negativbilder – Preußische Geschichte“ von Dieter Tucholke. Das Mappenwerk befindet sich im Besitz des Kunstarchivs.

 

(Axel Matthies)

vom: 02.05.2018