Marzahn-Hellersdorf – vom Werden einer Stadt. Festliches Kolloquium zu Ehren Dr. Heinrich Niemanns

Anlässlich des 70. Geburtstages des Bezirksstadtrates i. R. Dr. Heinrich Niemann fand am 17. Oktober 2014 im Saal der Empfänge der Gärten der Welt ein festliches Kolloquium statt. Als Rednerinnen und Redner hatten vier Begleiter des Jubilars zugesagt, deren Wege seit 1992 eng verzahnt gewesen sind: die jetzige stellvertretende Bürgermeisterin Dagmar Pohle, die langjährige Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf Petra Wermke, der Stadtplaner Prof. Urs Kohlbrenner sowie der langjährige Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes Bernd Schütze. Allen Beiträgen war eigen, den Blick von gestern auch in künftige Dimensionen unseres Bezirkes zu werfen. 80 Gäste und der Jubilar lauschten den Beiträgen genau – ging es doch immer um ihren Bezirk.

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Vordem nahm aus Termingründen Bürgermeister Stefan Komoß das Wort. Leider hätte er nicht mehr mit Dr. Niemann gemeinsam im Bezirksamt wirken können; er sei gekommen, als der Jubilar ausgeschieden war. Aber dieser wäre immer ein fairer politischer Konkurrent gewesen. Dafür wolle er ihm heute seinen großen Respekt zollen. Mit Genugtuung verwies der Bürgermeister darauf, dass Marzahn-Hellersdorf als Einzelgemeinde zu den 30 größten Städten Deutschlands gehören würde – auf Augenhöhe mit Mönchengladbach und Gelsenkirchen, mit Aachen und Chemnitz. Dieser Stellenwert fand sich dann in den Festbeiträgen wieder.

Moderator Gernot Zellmer

Moderator Prof. Gernot Zellmer, stellv. Vorsitzender OWB Schloss Biesdorf e.V.

 

Urs Kohlbrenner

Prof. Urs Kohlbrenner

Der erfahrene Stadtplaner aus der Schweiz, seit Jahrzehnten in Berlin und engagierter Befürworter einer sozialen Stadt, eröffnete den Reigen mit einem energischen Beitrag. Er gab dem Bezirk eine Vision. Zuvor erinnerte er jedoch an die schwierige „Patientenakte“ des Bezirkes in den Jahren 1992 bis 2006, an der der Sozialmediziner Dr. Niemann erfolgreich mitgewirkt habe. Nach langer harter Arbeit sei nun für Marzahn-Hellersdorf der Paradigmenwechsel eingetreten (in der Wirtschaft würde man break-even point sagen) – die Bevölkerung wächst, der Bezirk prosperiert. Kohlbrenner zeichnete seine Sicht:

  • Sehen Sie den Bezirk immer ganzheitlich; er existiert gemeinsam mit dem Land und den beiden großen städtischen Wohnungsunternehmen. Der Bezirk hat seine Stärken gerade durch seine engagierten Bürger und Vereine, durch eine spezielle Kunst und Kultur, die sich in den letzten Jahren immer deutlicher profiliert hat. Es gibt eine eigene sozial-kulturelle Identität, die es zu verstehen und zu pflegen gelte – sie sei eine identitätsstiftende Stadtgesellschaft.
  • Die soziale und demografische Durchmischung muss langfristig erhalten bleiben. Versuchen Sie nichts künstlich zu verjüngen: was für Alte gut ist, taugt auch für die Jungen. Das Wohnumfeld muss altersfähig gestaltet werden.
  • Machen Sie für neue Gruppen attraktive Angebote! Aber nicht im Sinne von Verdrängung, sondern als Ergänzung: günstige Wohnungen für Studenten, günstige Angebote für Kreative, Townhouses für Menschen, die die Großsiedlung nicht als Feindgebiet betrachten. Neue soziale Milieus bereichern den Bezirk.
  • Binden Sie Bürgerinnen und Bürger immer besser ein. Diese haben ein Recht auf unmittelbare Partizipation.
  • Nutzen Sie gezielt Räume für Nachverdichtungen, punktuelle Auffüllungen finden immer Akzeptanz und verbessern oft das Wohnumfeld.
  • Die vorhandenen Flächenpotenziale sollten auch für besondere architektonische Lösungen genutzt werden – Häuser, die originell, ökologisch und preiswert sind. So kann der Bezirk auch seine Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen.
  • Und schließlich: Sehen Sie die IGA 2017 als Teil einer lebendigen Verquickung von Marzahn und Hellersdorf und als eine neue mentale Bindung des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf an die Metropole Berlin.

„Ich wünsche Ihnen auf diesem Weg viel Erfolg!“

 

Dagmar Pohle

Dagmar Pohle

Dagmar Pohle hat als Bezirksstadträtin und langjährige Bürgermeisterin mit den Ressorts Gesundheit und Soziales immer große Schnittmengen in der Arbeit zu Dr. Niemann gehabt. Sie würdigte seinen herausragenden Anteil an der Erhaltung des städtischen Krankenhauses Kaulsdorf, das jetzt zum Vivantes Netzwerk für Gesundheit gehört und mit dem Neubau der Psychiatrie seine lokale Kompetenz schärfe. Mit seiner Gesundheitspolitik konnte der Bezirk Marzahn-Hellersdorf in der Bundeshauptstadt Akzente setzen und gilt heute mit seiner Gesundheitswirtschaft als wichtiges Element in Berlin. So hätten hier seit dem Jahr 2000 regelmäßig Gesundheitskonferenzen stattgefunden, Kindergesundheit ist in Marzahn-Hellersdorf zur obersten Politik erhoben worden. Gerade im Nordwesten von Marzahn seien auf diesem Politikfeld viele Präferenzprojekte angestoßen worden – entworfen von sachkundigen Bewohnerinnen und Einrichtungen vor Ort und unterstützt vom dortigen Quartiersmanagement. Ich, so Frau Pohle, bin daher ungeteilt für die weitere intensive Nutzung der Möglichkeiten des Programmes Soziale Stadt. Der Bezirk war der erste in Berlin, der neu geborenen Kindern einen Familiengutschein für wichtige Förderangebote überreicht. So sei jede Familie von Anfang an in der Lage zu wissen, welche Unterstützung ihr Kind bei Schwierigkeiten in Anspruch nehmen könne. Der Bezirk Neukölln habe dieses Muster nun übernommen. Im Rückblick auf das Werden des Gesamtbezirkes müsse immer heraus gehoben werden, dass der Sozialmediziner Dr. Niemann der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Platze war.

Frau Pohle überreichte Herrn Dr. Niemann abschließend ein Aquarell der in Kaulsdorf lebenden Künstlerin Antje Püpke mit einem bezirklichen Motiv.

 

Bernd Schütze

Bernd Schütze

Dann war die Reihe am langjährigen Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes Bernd Schütze. Er orientierte sich an der dokumentierten Entwicklung der Grünflächen im Bezirk seit 1900. Die B 1 ist im Bezirk so etwas wie eine Grenze zwischen Barnim, der durch Lehm geprägt ist und dem südlich Richtung Köpenick gelegenen Urstromtal, das von Flüssen, Sümpfen und natürlichem Baumwuchs geformt ist. Während der Süden von jeher bewohnt war, bedurfte es für eine massenhafte Besiedlung des Barnims gewaltiger landschaftsgärtnerischer Anstrengungen. Denn hier sollten die Großsiedlungen Ost-Berlins entstehen. So war nach dem Krieg klar, dass mit der Aufschüttung der Biesdorfer Höhe, des Kienberges und der beiden Ahrensfelder Berge Anfänge der künftigen Großsiedlungen entstehen. So war der Kienberg mit dem Wuhletal das ökologische Kerngebiet der beiden Altbezirke Marzahn und Hellersdorf. Das heute höchst beliebte Areal wird deshalb auch von Bürgerinnen und Bürgern geschützt. Nachfolgend konnten auch die Biesdorfer Höhe und die Ahrensfelder Berge mit der Anlegung des Wuhlewanderweges aus europäischen Programmen ihre Popularität gesamtstädtisch erhöhen.

Während der Bezirk Marzahn bis zur Wende im Programm des komplexen Wohnungsbaus weitgehend abgeschlossen war, blieb in Hellersdorf noch fast alles zu tun. So hat die landschaftsgärtnerische Gestaltung einen anderen Zuschnitt: sie ist kleinteiliger, verfügt über keine übergreifenden Flächen wie etwa den Marzahner Bürgerpark und ist von Anfang an auch mit mehr einheimischen Gehölzen bepflanzt worden.

Bernd Schütze machte abschließend an Zahlen deutlich, um wie viel grüner der Bezirk in den vergangenen 36 Jahren geworden ist: Gab es 1978 39 ausgewiesene Grünanlagen, so sind es 2014 immerhin 225 mit einer Fläche von 720 Hektar (ha). Ebenso haben sich die ausgewiesenen Naturschutzflächen von 20 ha am Ende der DDR auf nunmehr 217 ha verzehnfacht. Der Amtsleiter resümierte, dass der Bezirk mit der Umsetzung der Leitlinien der Agenda 21 eine wichtige Antwort auf den Klimawandel gegeben habe. Diese Qualität gilt es zu schützen. Sie sei – so Bernd Schütze wörtlich – für Marzahn-Hellersdorf so bedeutungsvoll „wie der Dom für Köln“.

 

Petra Wermke

Petra Wermke

Als vierte Rednerin schritt dann Petra Wermke zum Rednerpult – die letzte verbliebene „Dame mit dem Hütchen“. Ihr Anliegen war die Würdigung des bürgerschaftlichen Engagements von Dr. Heinrich Niemann. Seit seinem Ausscheiden aus dem Amte sei er nie weg gewesen. In so wichtigen Aufgaben wie als Bezirksverordneter, als langjähriger Vorsitzender des pad. e.V. Eltern und Jugendliche gegen Drogenmissbrauch und seit geraumer Zeit als Vorsitzender der OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V. sei er stark präsent in der öffentlichen Wahrnehmung geblieben. Der langjährigen Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung war wichtig darauf hinzuweisen, dass Dr. Niemann in den letzten Jahren sehr aktiv lokalpolitisch im Siedlungsgebiet tätig war. Er habe sich insbesondere mit der Grundwasserproblematik und dem Zustand und der Perspektive der Baggerseen befasst. Sie wünschte dem Jubilar gute Gesundheit und erfolgreiche Arbeitsergebnisse.

 

Weitere Gratulanten und das Schlusswort des Jubilars

Sodann nahmen weitere Gratulanten das Wort. Dr. Wolfgang Drahs (Geschäftsführer pad e.V.) und Ulrich Reinheckel (Vorsitzender des Freunde der Gärten der Welt e.V.) dankten in warmherzigen Worten Dr. Niemann für die langjährige und zuverlässige Unterstützung ihrer Vereine. Das Engagement zeuge von der Erfahrung und dem ausgezeichneten lokalpolitischen Instinkt des Jubilars.

Dr. Bernd Drahs                                  Ulrich Reinheckel

Dr. Wolfgang Drahs                                              Ulrich Reinheckel

 

Dr. Uwe Klett als langjähriger Bürgermeister von Hellersdorf erinnerte an eine Episode aus dem Jahre 1992. Als nach den damaligen Kommunalwahlen die PDS unerwartet Stadtratsposten besetzen konnte, regte sich, auch bei Klett, der Instinkt der Ost-Linken: darf ich in diesem System mitregieren oder sollte ich gleich zurück treten? Die messerscharfe Logik von Niemann habe Klett dann zum Umdenken gebracht: „Du hast doch noch gar nichts gemacht!“

Mit einem Schmunzeln trat nun Dr. Heinrich Niemann ans Mikrofon. „Danke an alle!“ Alle Erwartungen an die Organisation, an die Referenten und das gesamte Event seien erfüllt worden. Er hoffe, dass die Materialien des Kolloquiums publiziert werden können. Dr. Niemann dankte dem Team der Gärten der Welt, „seinen“ beiden Vereinen Schloss Biesdorf e.V. und pad e.V. sowie dem Freunde der Gärten Welt e.V. und allen anderen, die geholfen hätten. Ein besonderer Dank galt seiner lieben Frau. Dann zeigte sich Heinrich Niemann als Dichter seines Bezirkes. In einem längeren Gedicht schwärmte er vom spröden Charme, von der herrlichen Aussicht am Kienberg und der Schönheit des Bezirkes, die doch anders sei. Und abschließend sein Bekenntnis:

„Wir sind offen und munter

Uns kriegt keiner unter.“

So ist es, so wird es bleiben.

Abschließend war Zeit für Gratulationen und viele Gespräche. Und der Geist des Nachmittags verbreitete sich: Wir haben viel erreicht, sind aber lange nicht am Ende!

 

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Grün GmbH gratuliert Dr. Niemann

H. Niemann und N. Seichter

H. Niemann und Heimatverein M-H

E. Kröber und R. Stegemann

Sekt

vom: 21.10.2014