Die Freude brach sich Bahn – mehr als 2000 Gäste besichtigten Schloss Biesdorf

 

Die Vorfreude war groß, die Erwartungen beträchtlich: schon ab 11.30 Uhr statt 12.00 Uhr stürmten die ersten Gäste zum Tag des offenen Denkmals am 13. September 2015 das neue, edle Schloss Biesdorf. Die ersten Blicke bestätigten die Hoffnungen: das ist ein Schloss, auf das man stolz sein kann und muss.

Erste Besucher

 

Den ganzen Tag brach der Ansturm der Gäste aus Marzahn-Hellersdorf und vielen anderen Stadtteilen Berlins nicht ab. Die sonst stille Albert-Brodersen-Allee im Schlosspark wurde zu einem Boulevard der Schlossfreunde.

Nun ist die Vision unseres Vereins Realität geworden. Die Mühen und die Beharrlichkeit haben sich gelohnt. Was vor 15 Jahren mit einer Bürgerinitiative und mit der Gründung unseres Vereins begann, um Schloss Biesdorf vor dem Verfall zu retten und seinen Wiederaufbau in seiner historischen Gestalt anzustreben, ist nun verwirklicht.

Der Tag des offenen Denkmals startete mit einer ordentlichen Eröffnung. Schlossherrin bis zum 30.6.2016 ist nun Kulturstadträtin Juliane Witt (LINKE). In ihrem Eröffnungsstatement dankte sie den Bauleuten sowie den Architekten und Bauüberwachern für ihre ausgezeichnete Arbeit. Alle Eckparameter der Sanierung seien eingehalten worden. Der Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Andreas Geisel (SPD) erinnerte sich daran, dass er als Lichtenberger öfter Gast im alten Schloss war. Er sprach die Erwartung aus, dass hier Kunst vor Ort präsentiert werde, die den Menschen im Bezirk eine neue städtische Qualität verschaffe. Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD), der auch Finanzstadtrat ist, erwähnte natürlich, dass der Kostenrahmen leicht überzogen wurde. Ihm war wichtig zu sagen, dass die Initiatoren der Schlossrettung seinem Büro beinahe wöchentlich, wie er es ausdrückte, „auf den Keks gingen“. Aber das habe sich nun gelohnt.

Eröffnung

 

Der so Angesprochene – Dr. Heinrich Niemann, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf e.V., – ließ die freundlich gemeinte Erinnerung abperlen: „Aus eigener langjähriger Verwaltungserfahrung weiß ich, was Bürger leisten können, wenn man sie ernst nimmt.“ Und mit einem Blick nach oben erklärte er, dass Dr. Günter Peters, der große Antreiber des Projektes, jetzt freundlich lächelnd bei der Eröffnung dabei sein wird. Dann schlüpfte Dr. Niemann wieder in die Rolle des Dichters und trug seine Zueignung zum Bau-Ende vor.

Zueignung        Gedicht Schloss Biesdorf zeigt als Schönheit sich

 

Daran schloss sich über Stunden ein intensives Kulturprogramm an, das vom Jugendsinfonieorchester Marzahn-Hellersdorf unter Leitung von Jobst Liebrecht eröffnet wurde. Eine große Tanzperformance „Schlossbilder“ der Deutschen Tanzkompanie aus Neustrelitz durch das ganze Haus schloss sich an. Am Nachmittag spielte das Swing-Trio unter Leitung von Hartmut Behrsing und danach hatte der Biesdorfer Kammerchor seinen ersten großen Auftritt im Schloss.

JSO M-H

JSO M-H2

Tanz

 

Parallel wurden mehrere Ausstellungen präsentiert. „Metamorphosen“ war die Ausstellung des Fotografen Werner Huthmacher aus dem Baugeschehen benannt. Dr. Oleg Peters und Waldemar Seifert präsentierten die Ausstellung „Schloss Biesdorf – Geschichte einer spätklassizistischen Turmvilla in Berlin“. Kinder und Jugendliche beteiligten sich ebenfalls mit künstlerischen Beiträgen; darunter Flüchtlingskinder aus der Unterkunft Blumberger Damm mit Zeichnungen, die sie mit Unterstützung des Ateliers Uffrecht angefertigt hatten – Titel: „Mit einem Koffer nach Berlin“.

Ausstellung1

Ausstellung2

 

Im Fokus unseres Vereins standen die Vorträge im großen Saal im Obergeschoss. Um 14.00 Uhr eröffnete Prof. Johannes Bähr von der Goethe-Universität Frankfurt/M. in dem neuen Format „Biesdorfer Begegnungen“ den Vortragsnachmittag mit seinem Beitrag „Die Schlossherren Werner und Wilhelm von Siemens: Erfinder und Pioniere der Elektrotechnik und des Verkehrswesens“. In einem munteren Stundenvortrag, dem etwa 150 Gäste im völlig ausgelasteten Saal beiwohnten, erzählte der Wissenschaftler manche launige Anekdote.

Prof. Bähr

 

So begann Werner Siemens seine Weltkarriere in Berlin 1847 als Erfinder und Unternehmer in einer Kreuzberger Remise – sozusagen als „Startup-Unternehmer“. Nur 20 Jahre später verlegte die Firma die Indoeuropäische Telegrafenlinie und das Transatlantikkabel und schuf somit völlig neue Vernetzungen zwischen den Kontinenten. Die Dynamo-Maschine, also die Speichermöglichkeit von elektrischem Strom, schuf die Voraussetzungen für die Entwicklung der U-Bahn und Straßenbahn sowie elektrischer Schnelltriebwagen. Schloss Biesdorf wurde in der Siemenszeit (1887 bis 1927) von der technischen Ausrüstung her ein „High-Tech-Zentrum“, so Prof. Bähr. Die Entwicklung und der Bau von Luftschiffen in Biesdorf Süd, nahe des ehemaligen Fuchsberges, war dagegen weniger erfolgreich. Als im 1. Weltkrieg das deutsche Heer diese einsetzte, sie aber mit Phosphorbomben abgeschossen wurden, war das Kapitel Luftschiff bereits beendet. Prof. Bähr erinnerte abschließend daran, dass die Gemeinde Biesdorf ohne das engagierte Handeln der Siemens-Familie niemals eine so erfolgreiche Entwicklung hätte nehmen können.

Um 17.00 Uhr begann dann ein Doppelvortrag, den Prof. Arnold Körte und unser Vereinsmitglied Dr. Oleg Peters hielten. Prof. Körte referierte zu Martin Gropius, Dr. Peters über Heino Schmieden, den Architekt von Schloss Biesdorf. Gropius und Schmieden waren von 1865 bis 1880 in einer Architektensozietät verbunden. Sie prägten mit anderen Architekten wie Friedrich Hitzig, Ernst von Ihne, Paul Wallot, Alfred Messel, Ludwig Hoffmann und Peter Behrens die wohl wichtigste Bauperiode Berlins nach 1871, wie Dr. Peters hervorhob. Er stellte damit seine Schmieden-Biografie vor, die überhaupt die erste ist. Heino Schmieden war zu seiner Zeit ein äußerst produktiver Architekt und einer der berühmtesten. Er prägte zwischen 1866 und 1913 maßgeblich das Baugeschehen in Preußen bzw. im Deutschen Reich und natürlich unmittelbar in Berlin. Dr. Peters konnte den wiederum hochinteressierten Zuhörern eine Leseprobe gratis überreichen. Das voluminöse und reich illustrierte Werk wird im Herbst im Lukas Verlag Berlin erscheinen.

Leseprobe Cover 001-1

Dr. Peters

 

So verging der kompakt aggregierte Nachmittag wie im Flug. Bis zum Schluss guckten neugierige Köpfe in alle Räume. Unter den Gästen wurden u.a. die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau (LINKE), die Vorstandsvorsitzende der BVG, Sigrid Evelyn Nikutta, die Biesdorferin ist, sowie der ehemalige Gartenbaudirektor von Berlin, Klaus von Krosigk, der großen Anteil an der erfolgreichen Entwicklung von Schloss und Schlosspark hat, gesehen. Mit Freude anwesend war der langjährige Bürgermeister von Hellersdorf bzw. Marzahn-Hellersdorf Dr. Uwe Klett. Dabei waren viele Mitglieder des Abgeordnetenhauses von Berlin und der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf. Altbürgermeister Dr. Harald Buttler und Stadträtin Dagmar Pohle (LINKE), die an diesem Tag verhindert waren, übermittelten herzliche Grüße.

Im Verlauf des Nachmittags konnten wir weitere aktive Weggefährten zum restaurierten Schloss Biesdorf begrüßen, denen wir an diesem Tag mit besonderem Dank verbunden waren: Christoph Schmidt, Geschäftsführer Grün Berlin GmbH; Prof. Dr. Ernst Kraas, Urenkel von Heino Schmieden und weitere Familienangehörige; Josef Batzhuber, Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes i.R.;  Peter Bielig, langjähriger Leiter des STZ Schloss Biesdorf; Raphael Abrell, Bauleiter der denkmalgerechten Sanierung des Schlosses 2002/2007; Jens Rieser, Verantwortlicher Mitarbeiter der Unteren Denkmalbehörde Marzahn-Hellersdorf bis 2011; Ernst Mahlo, Bauunternehmer in Mahlsdorf mit Bauleistungen und Sponsoring bei der Fassadensanierung des Schlosses 2002/2007; Monika Berndt, Biesdorfer Lehrerin i.R., die mit ihrem Brief im Jahre 2000 an den Bundespräsidenten Johannes Rau wichtige Unterstützungsschritte auslöste; Christel Peters, die Witwe von Dr. Günter Peters und Uwe Heß, den Vorstandsvorsitzenden des Marzahn-Hellersdorfer Wirtschaftskreises.

Auch Mitglieder unseres Vereins waren zahlreich erschienen. Die herausragende Stimmung animierte viele Besucherinnen und Besucher, Publikationen unseres Vereins zu erwerben. Unser Bestseller unter den 52 verkauften Exemplaren war wiederum „Rittergut und Schloss Biesdorf. Eine historische Aufzeichnung des Dorfschullehrers Johannes Lehmann aus dem Jahre 1914“.

P1040318

 

Für Schloss Biesdorf ist nun eine Zwischennutzung geplant, um auch die technische Infrastruktur des Gebäudes weiter zu ertüchtigen. Immer donnerstags, so plant es die Kulturstadträtin, soll das Schloss zu Veranstaltungen öffnen. Unser Verein Stiftung OST-WEST-BEGEGNUNGSSTÄTTE Schloss Biesdorf wird sich daran mit dem Format „Biesdorfer Begegnungen“ beteiligen. Am 1.7.2016 übernimmt dann der Betreiber Grün Berlin GmbH die Geschäfte. Und am 9.9.2016 wird Schloss Biesdorf als Bilderschloss feierlich eröffnet. Bis dahin werden die Fassade am Obergeschoss und die historischen Ornamente wieder hergestellt.

 

 

vom: 15.09.2015